Von 2010 bis 2017 warst Du ja bereits als Lehrer am GEG. Was ist Dir aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Ich habe hier einfach meine wirkliche Berufung entdecken und entfalten können…unterstützt von einem authentischen und hilfsbereiten Kollegium, einer gelassenen und mutigen Schulleitung, einer engagierten Schulgemeinschaft. Besondere Highlights waren etwa die BOGY-Schullandheime, der Taiwan-Austausch und das Schulstaatprojekt GEGtopia…privat wuchs meine Familie weiter, zwei unserer Töchter wurden in dieser Zeit in Filderstadt geboren, die älteren Brüder haben die Kindergarten- und Grundschulzeit im Ländle verbracht. Insgesamt haben wir, nunmehr als Großfamilie, viele schöne Erfahrungen und Erinnerungen aus dieser Zeit.
Du hast Dich ja dann entschieden, eine neue Herausforderung anzugehen und bist mit Deiner Familie für sechs Jahre an die Deutsche Schule nach Mailand gegangen. Hat diese Phase deinen Blick auf das deutsche Schulwesen verändert? Welche Erfahrungen und Einsichten bringst Du nun mit zurück ins Ermstal?
Der Weg ins Ausland war eine Entscheidung für den Blick über den Tellerrand. Da die Kolleg/innen an einer Auslandsschule aus unterschiedlichen Bundesländern und auch Ländern kommen, erkennt man z.B. schnell, dass es unterschiedliche Wege gibt, zu unterrichten oder Schulentwicklungsprojekte zu organisieren. Man muss nicht immer einfach den eigenen Weg durchsetzen, sondern kann lernen, auch mal loszulassen. Es ist also eine gute Portion Flexibilität gefragt, um sich immer wieder neu zu erfinden…aber das macht ja auch viel Spaß.
In meinem letzten Jahr in Mailand habe ich zwei amerikanische Schüler/innen kennengelernt (Klasse 9 und 11), die zuvor auf sehr renommierten Schulen waren. Sie fielen sofort durch ihre offene Art und ein unglaublich breites, über den Unterricht hinausgehendes Wissen auf…man merkte einfach, sie haben in jungen Jahren schon viel gebüffelt, gepaart mit einer ordentlichen Portion Intelligenz. Auf meine Frage, ob sie sich nicht unterfordert fühlten, sagte mir die Schülerin (Chemikurs Klasse 11): „Ja, vieles habe ich schon gehört und mal gelernt, aber ich muss hier viel mehr nachdenken und eigenständig Probleme lösen!“ Da sie bereit war, das zu tun, konnte man buchstäblich zusehen, wie sich ihr Wissen vernetzte und zu echten fachlichen Fähigkeiten reifte. Das problemlösende Unterrichten ist sicherlich eine Stärke des deutschen Bildungswesens. Ich finde wir können hier noch mutiger werden, gleichzeitig aber auch konzentriertes individuelles Lernen nicht vernachlässigen und dafür optimale Bedingungen schaffen. Auch wird kulturelle und sprachliche Vielfalt eine immer wichtigere Rolle spielen, das heißt, wir dürfen selber nicht stehen bleiben und müssen mit den Veränderungen mitgehen.
Wir am GEG sind sehr froh, Dich nun wieder in unserer Mitte begrüßen zu dürfen! Gibt es Besonderheiten des GEG, die Deine Rückkehr begründeten? Oder genauer; gibt es am GEG besondere Aspekte, die Dich ansprechen?
Das GEG habe ich immer als einen Ort wahrgenommen, an dem menschliche Qualitäten wie etwa Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Kreativität, Mut, Geduld, etc. im Mittelpunkt stehen. Das ist besonders und halte ich für den Nährboden, auf dem eine echte Lern- und Arbeitsumgebung geschaffen werden kann. Gerade wenn wir die digitale und mittlerweile „intelligente“ digitale Welt integrieren, brauchen wir ein starkes menschliches Potenzial, das die ganze Schule miteinander verbindet. Besonders ist, dass viel und herzlich gelacht wird…das ist sehr gut (und rein menschlich ;-)).
Die Aufgabe als stellvertretender Schulleiter ist sicher sehr vielseitig, aber eben auch anspruchsvoll. Wo siehst Du die größten Herausforderungen für Dich in den kommenden Jahren?
Es ist sicherlich Geduld und Gelassenheit gefragt, wenn sinnvolle Dinge nicht umsetzbar sind, weil es die Umstände und Rahmenbedingung einfach nicht hergeben. Das ist frustrierend und bedarf immer wieder neuer Motivation und natürlich auch ein wenig Glück, die richtigen Gelegenheiten zu sehen und zu nutzen. Immer wieder muss man sich kleine Momente des Abstands und der Regeneration schaffen, um dann wieder volle Kraft voraus und sicherlich auch mal gegen den Wind zu segeln.
Gibt es schon spezielle Bereiche, in denen Du deine Ideen einbringen willst? Gibt es bereits konkrete Projekte?
Im Moment versuche ich zunächst, alle Prozesse zu durchdringen und optimal zu verstehen…die Ideen müssen sich natürlich daraus ergeben. Oft ist dies in Momenten der Entspannung oder des Abstands der Fall.
Digitale Klassenbücher würde ich z. B. gerne schnell auf den Weg bringen, hier sehe ich mehr Vor- als Nachteile. Das ist mal ein konkretes, aber eher „kleines“ technisches Projekt. Dennoch wird es zunächst einige Zeit und Ressourcen binden, um die Infrastruktur dafür Aufzusetzen, da wir als Schule da im Wesentlichen auf uns allein gestellt sind. Idealerweise ist es am Ende eine Erleichterung für uns.
Abschließend vielleicht noch eine Frage über den Privatmann Marco Axmann. Wo findest Du deinen Ausgleich, vielleicht auch Entspannung nach den langen Tagen in der Schule?
Mir tut Bewegung jeglicher Art gut, sei es Fahrradfahren, Joggen oder Spazierengehen. Traditionelles Yoga halte ich für eine erstaunlich wirkungsvolle Methode. An der Deutschen Schule Mailand haben wir z. B. an einem Nachmittag in der Woche mit Hilfe einer externen Lehrerin Yoga für das Kollegium angeboten…das ist eine feine Sache.
Ansonsten wird der Kopf auch frei, wenn ich den beiden Kleinen, in Mailand geborenen,“Pettersson und Findus“ vorlese, auf Deutsch…hahaha
Wir danken Dir herzlich für diese Einblicke. Ich glaube sagen zu können, dass Dich die ganze Schulgemeinschaft aufs Herzlichste begrüßt und sich auf die gemeinsame Arbeit freut. Für Deine Aufgabe wünschen wir Dir nun Erfolg und recht viel Freude.
Michael Jaesrich