Zurück

Närrische Tage - Dunkle Tage

„Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrer,

wir sind heute wie immer aufgestanden, haben wie immer gefrühstückt und sind dann wie immer zu Fuß, mit dem Bus, dem Fahrrad oder Auto zur Schule gekommen. Alles wie immer.

Doch es ist nicht alles wie immer. Ja, es ist Fasnet und nach zwei Jahren Coronaeinschränkungen haben sich viele darauf gefreut, eine Verkleidung anzulegen und ein wenig Spaß zu haben. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden und wir sind gespannt, welche kreativen Verkleidungen wir heute zu sehen bekommen.

Doch seit gestern ist in ganz Europa und besonders in der Ukraine nichts mehr wie wir es seit vielen Jahren und Jahrzehnten gewohnt waren. Nach dem Angriff Russlands gibt es für die Menschen in der Ukraine keine Routine mehr und für viele geht es um das nackte Überleben. So haben z.B. In Kiew aus Sorge vor Luftangriffen viele Menschen die Nacht in Kellern, Bunkern und U-Bahn-Schächten verbracht. Es fehlt an Lebensmitteln, Geld, Benzin und es herrscht Angst. Familien wurden getrennt, weil sich Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, während sich die Väter und Brüder bewaffnen, um ihr Land zu verteidigen. Das ist kein Actionfilm-Szenario, wie wir es aus dem Kino und vom Fernsehen vielfach kennen. Das ist echt.

Aber was hat das mit uns zu tun? Die ukrainische Grenze ist fast 1500 km entfernt, es liegen mehrere Länder zwischen uns und diesem Land. Und es gibt doch immer wieder irgendwo auf der Welt eine militärische Auseinandersetzung. Wieso sind also alle so beunruhigt und aufgewühlt?

Wir hier in Deutschland und Europa leben in einer Demokratie. Von klein auf wird uns gesagt, dass jede und jeder von uns Rechte hat, dass unsere Meinung wichtig ist, wir lernen diskutieren, wir können demonstrieren, wir können über vieles abstimmen und uns so einbringen. Jede und jeder ist wichtig. Und wenn wir uns nicht einig sind, so sollte das besprochen, diskutiert und nach einer Abstimmung das Ergebnis auch akzeptiert werden. Wenn wir uns an diese Regeln halten, können wir gemeinsam viele persönliche Freiheiten genießen. Das sind die Spielregeln, nach denen wir am GEG leben. Das sind die Regeln, nach denen aber auch Regierungen und Länder normalerweise miteinander umgehen. Das ist anstrengend und manchmal auch nervig, aber nur so können wir uns gegenseitig respektieren und nur so lässt sich Gewalt und Unterdrückung vermeiden und der Frieden wahren.

Die russische Regierung unter Wladimir Putin hat nun entschieden, diese Spielregeln nicht mehr einzuhalten und  die Ukraine überfallen. Der Frieden, um den sich alle in Europa seit Jahrzehnten so intensiv bemühen, ist gebrochen. Nun sterben Menschen, werden vertrieben, leben in Angst und wissen nicht, wie es morgen weitergehen soll. Opfer sind Menschen; vor allem Ukrainer aber auch Russen, von denen viele nicht freiwillig kämpfen und einige gestern, als sie in Russland gegen den Krieg demonstrierten, brutal verhaftet wurden.

Wir können unser Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine symbolisch mit einer Gedenkminute zum Ausdruck bringen. Und so setzen wir als GEG auch ein Zeichen dafür, dass wir jetzt und auch weiterhin für unsere demokratische Rechte und Freiheiten und die anderer Menschen einstehen wollen.

Deshalb lade ich nun alle ein, aufzustehen und schweigend derer zu gedenken, die Opfer von Diktatur, Unterdrückung und ungerechter Behandlung geworden sind, so wie die Menschen in der Ukraine. Das Zeichen zum Ende der Schweigeminute kommt von mir.

Vielen Dank. Ihr könnt euch wieder setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Moment der Stille bei vielen von euch viele Gedanken und vielleicht auch Fragen aufgeworfen hat. Gerne könnt ihr das nun in dieser oder einer der folgenden Stunden mit euren Lehrern besprechen.“

Susanne Müller